Nach einem gefühlt unendlich langen Winter ist jetzt endlich der Frühling ausgebrochen. Es blüht, summt und brummt. Für Landwirtinnen und Landwirte beginnt eine arbeitsintensive Zeit. Für Imkerinnen und Imker ebenfalls. Ihre Bienen schwärmen aus und sammeln Pollen. Zum Wohle ihre Volkes, seiner Königin und natürlich der neuen Bienengeneration. Damit leisten sie gleichzeitig wichtige Arbeit zum Wohle der Menschheit – sie bestäuben die Kulturpflanzen für eine reiche Ernte und produzieren Honig für uns. Er gilt als eines der gesündesten Lebensmittel überhaupt.
Wir haben also allen Grund zu tiefer Dankbarkeit und hoher gesellschaftlicher Anerkennung für diesen Beitrag der Imkerinnen und Imker und ihrer Bienenvölker zu unserer Ernährung.
Doch in der Realität wird ihre Arbeit eher als Selbstverständlichkeit gesehen. Die Wertschätzung in Sonntagsreden löst sich bei Interessenskonflikten schnell in Ignoranz auf. Auch wenn es zwischen Bauernhof und Bienenstock so harmonisch summt, ist unsere Welt für Bienen und andere Insekten wenig friedvoll. Sie werden vielfältig bedroht.
Der neue Greenpeace-Bericht „Bye, bye Biene“ veranschaulicht das Problem in den USA. Dort sind seit dem Jahr 2004 so viele Honigbienenvölker verloren gegangen, dass in den vergangenen fünfzig Jahren noch nie so wenige Bestäuber in Kultur gehalten wurden wie aktuell! In Deutschland ist die Entwicklung nicht so dramatisch. Vielleicht noch nicht, denn das Problem Bienensterben kennt auch unsere einheimische Imkerei unterdessen.
Die Ursachen des Bienensterbens sind komplex und oft ist es wohl die Summe der schädigenden Einflüsse, mit der die Bienenvölker nicht mehr fertig werden. Das heißt, dass wir einen strategischen Ansatz für bienenfreundliche Maßnahmen brauchen und dass wir gleichzeitig an mehreren Schrauben im System drehen müssen. Wird nur eine einzelne Ursache beseitigt, werden die Probleme weiter bestehen. Das darf aber nicht als Ausrede dienen, gar nichts zu tun.
Zum Beispiel wären die zur Bedrohung gewordenen Bienenkrankheiten wie Varoa-Milbe und Nosema vielleicht besser beherrschbar, wenn die Bienenvölker unter optimalen Lebensbedingungen leben würden. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Wir wissen doch, dass in immer mehr Regionen bienenattraktive Blühpflanzen fehlen. Zumindest wenn man die gesamte Vegetationsperiode betrachtet. In der Agrarlandschaft dominieren häufig Raps- oder Maisfelder. Sie bieten nur kurzzeitig Nahrung, Maispollen ist nicht mal eine gute. Flächen mit natürlichen, blühenden Ackerkräutern sind selten. Wir brauchen also mehr Bienennahrung in der Fläche über die gesamte Vegetationsperiode. Deshalb fordert DIE LINKE, beispielsweise Blühweiden oder Ackerrandstreifen wieder fest in die Landbewirtschaftung zu integrieren. Sie sollten in der neuen EU-Förderperiode als so genannte „ökologische Vorrangflächen“ anerkannt werden, finde ich. Es ist falsch, wenn Bundesregierung und Bauernverband diese immer wieder als „Stilllegungsflächen“ verunglimpfen. Denn ganz im Gegenteil: solche Flächen sind weder „still“ noch produzieren sie „Nichts“. Sie „produzieren“ biologische Vielfalt und bieten Nützlingen, wie Bienen und anderen Insekten, Lebensraum und reichhaltiges Nahrungsangebot. Die Landwirtschaft profitiert also davon, zumindest mittelfristig.
Der großflächige und häufige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gegen Insektenschädlinge ist ebenfalls ein Risiko für die Bienenvölker, selbst wenn der Einsatz nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt.
Dabei ist die Wirkstoffgruppe der Neonikotinoide besonders bienengefährlich. In Baden-Württemberg kam es im April/Mai 2008 nach der Aussaat von mit Clothianidin behandeltem Mais zum größten Bienensterben seit Jahrzehnten. Rund 700 Imkerinnen und Imker verloren ihre Bestände ganz oder teilweise, insgesamt waren rund 11.500 Völker betroffen. Pro Imkerei lag der Verlust bei durchschnittlichen 17.000 Euro.
Auch wenn die technische Ursache dieses Falles behoben wurde, zeigt das Beispiel die große Gefahr der Verwendung. Denn mit unbekannten Risiken oder Unachtsamkeit wird man wohl immer rechnen müssen.
Es gibt zahlreiche Studien, die von hohen akuten und chronischen Risiken für Bienen und andere Bestäuber durch Neonicotinoide ausgehen. Es geht eben nicht nur darum, massives Bienensterben zu vermeiden. Vermieden werden müssen auch die Schädigungen der Bienen, an denen sie nicht gleich sterben. Auch bei Bienen muss der vorsorgende Schutz ernst genommen werden. Das heißt, Bienenschädigungen dürfen nicht länger als Kollateralschaden des Insektenschutzes für Pflanzen hingenommen werden. Die Konsequenz wäre, dass besonders bienengefährliche Wirkstoffe, wie die Neonikotinoide, nicht mehr verwendet werden.
Selbst die EU-Kommission, die nun wahrlich nicht als Speerspitze der ökologischen Bewegung gilt, will ab Sommer 2013 eine zweijährige Anwendungspause für die meisten Anwendungsbereiche dieser Wirkstoffgruppe.
Die Grünen fordern in ihrem Antrag, dass die Bundesregierung dem Vorschlag der EU-Kommission zustimmen soll. Für Laien wollen sie diese Wirkstoffgruppe ganz verbieten. Darüber hinaus soll das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit keine befristeten Ausnahmezulassungen für bienenattraktive Kulturen mehr erteilen dürfen. Das Risikobewertungs- und Zulassungsverfahren müsse verbessert werden.
Diese Forderungen teilt die Linksfraktion.
Aber statt eine weitreichende Anwendungspause von bienengefährlichen Neonikotinoiden voranzubringen, blockiert Ministerin Aigner in Brüssel den Vorschlag der EU-Kommission. Obwohl mir Staatssekretär Dr. Müller auf eine Anfrage im März mitteilte, dass die Bundesregierung EU-weite Maßnahmen gegen Neonikotinoide unterstützen wird. Leider hat sich die Bundesrepublik jedoch im zuständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und die Tiergesundheit enthalten. Ihre Forderung nach Ausnahmen vom Zwei-Jahres-Verbot dieser besonders bienengefährlichen Insektizide, beispielsweise für bienenunattraktive Pflanzen, ist uns zu weitreichend. Der Vorschlag der EU-Kommission, die Anwendungserlaubnis zeitlich befristet auszusetzen, bietet die Gelegenheit, das Risiko für die Insektenwelt weiter zu untersuchen. Diese Analysen sollten unabhängig und transparent erfolgen. Wenn selbst die industriefreundliche Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) 2013 in einem Gutachten an der Sicherheit dieser Insektizid-Gruppe zweifelt, mahnt das zur Neonikotinoid-Pause.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Das heißt nicht, dass es danach zwangsläufig zu einem Totalverbot kommen muss. In England konnten z. B. in einer neuen Studie keine signifikanten Effekte von Neonikotinoiden auf Sterberate oder Krankheitshäufigkeit bei Hummelvölkern gefunden werden. Auch die Frage nach Alternativen im Pflanzenschutz muss beantwortet werden.
Letztendlich geht es vor allem darum, unsere Agrarlandschaft bienenfreundlicher zu gestalten. Alles, was diese wichtigen Bestäuberinnen gefährdet, muss reduziert werden. Dazu gehören auch bienengefährliche Pflanzenschutzmittel und speziell die Neonikotinoide. Darum stimmt die Linksfraktion dem Antrag der Grünen zu.
Die Debatte: 130418_Debatte_Bienen_Neonikotinoide_17234